Tafeln
Ymér steigt in die Stiefel und die Stiefel gehen zur Haustür und die Haustür geht auf und sagt auf Wiedersehen. Die Stiefel sagen – danke, ebenfalls – und stiefeln weiter über die Steinplatten und die Platten liegen platt im Garten und der Garten reicht bis zur Strasse und die Strasse führt in die Schule.
Guten Tag sagt die Schule, wie geht es? Es geht gut, sagt Ymér, geradezu schulisch gut geht es. Das ist ja gut, sagt die Wandtafel, da kannst du mich sauber machen. Das mach ich gern, sagt Ymèr, aber nachher möchte ich tafeln gehen.
Seit wann brauchst du so vornehme Wörter, sagt der Schwamm und schmiert die Tafel mit Wasser voll. Igitt, sagt das Wasser, ich werde ganz schmutzig, was ist denn das für Zeug.
Ich bin nur Kreide, sagt das Zeug, mich kann man essen, zum Beispiel der Wolf im Rotkäppchen hat Kreide gegessen. Wenn jemand Kreide isst, heisst das, er will etwas verstecken, sagt der Papierkorb.
Der Papierkorb hat Hunger, der Korb ist ganz leer, aber die Schule beginnt, und er bekommt zu essen: Papier, Yoghurtbecher, kaputte Bleistifte, Turnschuhe und Kaugummi. Die Yoghurtbecher schmecken mir am besten, da ist immer noch etwas dran, sagt der Korb, das schleck ich dann weg, die Kaugummis sind alle schon ausgekaut. Aber jetzt muss er denn Mund halten, denn er wird vollgestopft mit Papier und kann nicht mehr sprechen.
Ymér hat immer noch nicht getafelt, ich habe Hunger sagt sein Magen, führ dich nicht so auf, sagt die Niere zum Magen, solange Ymér genug trinkt, ist alles in Ordnung. Da iss die Tafel Schokolade, sagt die Lehrerpultschublade und nimmt eine Tafel Schokolade aus der Lehrerpultschublade. Ist eine ganze Tafel Schokolade nicht ein bisschen viel für einen Jungen, sagen die Zähne, wenn er alles isst, tut mir wieder das Zahnfleisch weh. Jetzt hör auf zu jammern, sagt die Zunge, die Schokolade ist gut und sie schmilzt wie Schnee auf der Zunge.
Hape, Gestaltung
Die Uhr schlägt dreizehn und die Schule ist aus, Ymérs Füsse rennen in den Korridor und ziehen die Stiefel an. Die Stiefel sind froh, weil es ihnen langweilig war zwischen den Schuhen; Schuhe sind so vornehm, Stiefel sprechen lieber mit Stiefeln. Aber jetzt rennen die Stiefel die Treppen runter und die Treppen rufen: Au, nicht so schnell, ihr tut uns weh. Die Tür springt auf und die Stiefel stiefeln nach draussen.
Du hast einen roten Kopf, sagt die frische Luft zu Ymér, hast du viel gelernt? Frag das den Kopf, sagt Ymér, und der Kopf sagt, frag das die Hände. Die Hände sagen, ja, wir haben klatschen gelernt.
Klatschen kann doch jedes Kind, meint der Apfelbaum. Dann klatsch doch mal in die Hände, sagen die Hände, und der Apfelbaum wird rot und ist still. Ymér kommt zu einem Brunnen und trinkt einen Schluck. Jeder säuft einfach von der Röhre, brummt der Brunnen, keiner fragt mich, ob ich einverstanden bin. Bist du einverstanden, fragt der Mund und der Brunnen brummt, ja ich bin einverstanden. Sei froh, dass wir nicht plantschen, sagen die Stiefel, dann könntest du klagen.
Dann rennt Ymér nach Hause, denn jetzt ist es Zeit zum Tafeln. Ach alle diese Teller und Töpfe, jammert der Tisch, und alle so heiss, jeden Mittag ist es dasselbe. Wozu bist du denn da, sagen die Löffel und Gabeln, du bist doch eine Tafel, da ist es normal, dass wir auf dir tafeln. Seit wann redet ihr so vornehm, sagt der Tisch, ich bin ein Tisch, ein Esstisch, um es genau zu sagen, hört endlich auf mit eurem Tafeln. Oder muss ich eine Tafel aufstellen, worauf steht: Es ist verboten, hier über das Tafeln zu sprechen. Aber wenn wir nicht mehr über Tafeln und das Tafeln sprechen können, sagt Ymér, macht diese Geschichte doch keinen Sinn, also hören wir lieber damit auf.
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